Neue Lehr- und Lernkultur (NLLK)

Der Begriff „Neue Lehr- und Lernkultur“ definiert das Verhältnis zwischen Lehren und Lernen („vom lehrseitigen zum lernseitigen Lernen“). Zudem gibt die NLLK Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit, der Gesellschaft, der Wissenschaft und der Wirtschaft.

Im Gegensatz zur traditionellen Auffassung des Lernens, der zufolge Wissen wie ein Gegenstand von Lehrenden zu Lernenden transportiert werden kann, wird in der Pädagogischen Psychologie in den letzten Jahren zunehmend eine konstruktivistische Lehr-Lern-Philosophie vertreten. Diese geht davon aus, dass Lernen ein selbstgesteuerter Prozess ist, der von Lernenden eine aktive Wissenskonstruktion erfordert. Lernen ist ein aktiver, selbstgesteuerter, konstruktiver, situativer und sozialer Prozess.

Zentrale Voraussetzungen für Lernen sind das persönliche Interesse, die Betroffenheit und die Begeisterung für das Thema.

Aufgabe der Lehrenden muss es deshalb sein, eine ansprechende und anregende Lernumgebung aufzubereiten und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Schülerinnen fachbezogene und fächerübergreifende Kompetenzen entwickeln sowie Erfahrungen und Eindrücke gewinnen können. Der Unterricht hat an die Vorkenntnisse, Vorerfahrungen und an die Vorstellungswelt der Schülerinnen anzuknüpfen.

Um Selbsttätigkeit und Eigenverantwortung der Schülerinnen zu stärken, bieten sich Unterrichtsaktivitäten an, die Auseinandersetzung, Entdeckung, Erkenntnisgewinnung, Problemlösung, Anwendung und Reflexion fördern.

Die Individualisierung des Unterrichts und das selbsttätige Lernen erfordern ein verändertes Aufgabenverständnis der Lehrenden weg von Wissensvermittlung hin zur „Lernbegleitung“.

Unterricht muss als Lern- und Entwicklungsbegleitung verstanden werden und nicht als Vermittlung von Lehrstoff.

In diesem Kontext ist „Lerndesign“ ein zentraler Begriff der Neuen Lehr- und Lernkultur und eine Antwort auf Kompetenzorientierung und Standards.

Umgang mit Fehlern / Lernphasen und Leistungsphasen

Die pädagogische Arbeit muss sich an den Lernprozessen der Schülerinnen orientieren und erfordert bei den Lehrenden einen ständigen Reflexionsprozess. Nur durch kontinuierliche Lernstandserhebungen wird es für Lehrerinnen möglich, nächste Schritte zu planen. Gleichzeitig ermöglichen diese auch den Schülerinnen sich selbst zu positionieren, sich einzuschätzen und weitere Lernschritte zu setzen.

Eine einfache Möglichkeit, einen konstruktiven Umgang mit Fehlern zu sichern, ist eine bewusste Unterscheidung zwischen Lern- und Leistungsphasen in der Unterrichtsarbeit.

Tabelle klein

Der Unterschied zwischen Lern- und Leistungsphasen wird vor allem im Umgang mit Fehlern deutlich.

In Lernphasen sind Fehler „wichtige Helfer“ und liefern unerlässliche Informationen über den Lernstand der Schülerinnen und somit Hinweise für weitere Schritte in der Unterrichtsplanung.

Für Schülerinnen sind Fehler ein wichtiges Feedback für ihren Lernprozess.

In der Leistungsphase hingegen sind Fehler Indikatoren für den Lernertrag.

Grundsätze für die Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts

1. Anknüpfen an die Vorkenntnisse und Vorerfahrungen der Schülerinnen

Um an Vorerfahrungen und Vorkenntnisse von Schülerinnen anknüpfen zu können, sind Lernstandserhebungen (z.B. durch den Einsatz von Diagnosematerialien) unerlässlich. Erst eine Analyse des Lernstandes ermöglicht eine ziel- und entwicklungsgerechte Planung des Unterrichts.

2. Stärken von Selbsttätigkeit und Eigenverantwortung der Schülerinnen

  • Um den Paradigmenwechsel vom „lehrseitigen zu lernseitigen Unterricht“ vollziehen zu können, ist es notwendig, sich bewusst zu machen, dass allein die Tatsache, dass gelehrt wird nicht selbstredend bedeutet, dass auch Lernen stattfindet.
  • „Eine Öffnung des Unterrichts trägt zur Stärkung der Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung bei. Offenheit des Unterrichts zeigt sich am Grad der Mitbestimmung der Schülerinnen in folgenden Dimensionen:
    • Organisation (Zeiteinteilung, Orts- und Partnerwahl),
    • Methode (Gestaltung individueller Lernwege),
    • Inhalt (Auswahl der Themen und Fragestellungen),
    • soziales Leben in der Klasse (Regeln und Ablauf des Klassenlebens, Umgang mit Konflikten, Entscheidung über gemeinsame Vorhaben),
    • Werte (Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerinnen bzw. Schülern sowie zwischen letzteren untereinander).

3. Herstellen von Bezügen zur Lebenswelt

Hierbei kommt dem forschenden, entdeckenden Lernen anhand lebensnaher Themen aus dem Lebensumfeld der Schülerinnen größte Bedeutung zu. Sich mit Themenbereichen zu beschäftigen bedeutet, sich über diese Themen auszutauschen, zu diskutieren und zu kommunizieren. Erst durch diese aktive Auseinandersetzung mit dem Thema wird es möglich, falsche Denkansätze zu erkennen und diese neu zu überdenken.

4. Diversität und Inklusion, Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit

Die Schulen stehen heute vor der Herausforderung, mit der wachsenden Vielfalt bzw. Heterogenität der Schülerinnen konstruktiv umzugehen, sodass die individuellen Begabungen und Potenziale - unabhängig von vorgefassten Bildern, Zuschreibungen und familiären Rahmenbedingungen - bestmöglich gefördert und aktiviert werden. Es geht um individuelle und diskriminierungsfreie Lern-, Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Mädchen und Buben unterschiedlicher familiärer und kultureller Herkunft mit unterschiedlichen Leistungsspektren. Eine zentrale Rolle spielt dabei neben einem individualisierten Unterricht und der Orientierung an der Erreichung bestimmter Leistungen bzw. Kompetenzen v.a. auch das soziale Lernen im Raum Schule und der Umgang mit Differenzen und Konflikten
(vgl.BGBl. II Nr. 185/2012 <https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2012_II_185>)

5. Förderung durch Differenzierung und Individualisierung

Flexibles Eingehen auf unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten und Vorerfahrungen der Schülerinnen und der daraus resultierende unterschiedliche Betreuungsbedarf wird vor allem durch die zusätzlichen sechs Lehrerinnenstunden in den Gegenständen Deutsch/Englisch/Mathematik verstärkt möglich. Dabei kommt der Team-Arbeit, in all ihren Facetten, große Bedeutung zu. Die Bildung flexibler, temporärer Lerngruppen innerhalb eines Jahrganges, aber auch jahrgangsübergreifend, bieten eine weitere Möglichkeit, Schülerinnen im Sinne der Defizitförderung individuell zu fördern und im Sinne der Begabungsförderung zu fordern. Jedenfalls muss sich die Gestaltung und Verwendung der zusätzlichen Ressourcen in den Gegenständen Deutsch/Englisch/Mathematik im standortspezifischen Förderkonzept widerspiegeln.
(vgl.BGBl. II Nr. 185/2012 <https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2012_II_185>)

6. Förderunterricht

Förderunterricht stellt eine grundlegende Maßnahme nach §19 Abs.4 SchUG („Frühwarnsystem“) dar, um Schülerinnen, die von einem Leistungsabfall betroffen sind, vor Schulversagen zu bewahren.
Sollten zudem die Leistungen einer Schülerin in der 7. und 8. Schulstufe der Neuen Mittelschule in der Vertiefung eines differenzierten Pflichtgegenstandes in dem Ausmaß nachlassen, dass sie am Ende des Jahres nur mehr nach den Anforderungen der grundlegenden Allgemeinbildung zu beurteilen wäre, ist dies den Erziehungsberechtigten unverzüglich mitzuteilen und der Schülerin sowie den Erziehungsberechtigten vom Klassenvorstand oder der unterrichtenden Lehrerin Gelegenheit zu einem beratenden Gespräch über die Fördermöglichkeiten im Sinne von § 12 Abs. 6a SchUG zu geben.

Ein gelungener Förderunterricht setzt voraus, die Schülerin in ihrer Ganzheitlichkeit wahrzunehmen, um so auf Stärken und Ressourcen aufbauen zu können. Dabei ist eine genaue und sensible Beobachtung durch die Lehrerin die wesentliche Voraussetzung für gezielte Fördermaßnahmen und die Auswahl von Förderschwerpunkten. Im Sinne der ganzheitlichen Betrachtung sind deshalb Beobachtungen durch das gesamte Lehrerinnen-Team und ein kindzentrierter Austausch notwendig.

7. Sicherung des Unterrichtsertrages und Rückmeldungen - neue Prüfungskultur und Leistungsbeurteilung

Für die Sicherstellung des Unterrichtsertrages sind im Unterricht Selbsttätigkeit sowie ausreichende und gezielte Wiederholungen und Übungen vorzusehen, so dass eine außerschulische Lernunterstützung nicht erforderlich ist. Hausübungen sind so vorzubereiten, dass sie von den Schülerinnen ohne Hilfe anderer durchgeführt werden können. (vgl. § 17 Abs. 2 SchUG).

Bei der Leistungsbeurteilung sollen klar definierte, transparente Bewertungskriterien den Schülerinnen Anleitung zur Selbsteinschätzung bieten.

Dabei kommen vor allem den produktorientierten Arbeitsformen mit schriftlicher oder dokumentierter Komponente, wie z.B.: Portfolio-Präsentationen oder (Projekt-)Arbeiten große Bedeutung zu.

Den Schülerinnen ist für jede erfolgreich absolvierte Schulstufe zusätzlich zum Jahreszeugnis eine „ergänzende differenzierende Leistungsbeschreibung" (edL) auszustellen (vgl.: BGBl. II - Ausgegeben am 30. Mai 2012 - Nr. 185). Diese „edL" ist jedem Jahreszeugnis in Form der jeweils bearbeiteten überfachlichen Schlüsselkompetenz(en) beizulegen. Für Wien ist vorgesehen, diesen Kompetenznachweis auf der 8. Schulstufe bereits der Schulnachricht beizulegen.

  • Reduktion des Lernstoffes - Erstellen kompetenzorientierter Jahresplanungen in den Realienfächern
  • Differenziertes Unterrichten (auch in Realienfächern)
  • Formulieren operationalisierter Lernziele
  • Ergänzen der operationalisierten Lernziele mit Kompetenz-Lernzielen

 

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